Eine Leistungsexkursion benennt die in nur wenigen Sekunden oder auch Sekundenbruchteilen ansteigende Leistung einer chemischen oder physikalischen Reaktion um ein Vielfaches. Im folgenden Diagramm kann man gut erkennen, dass die freigesetzte Energie der Reaktion innerhalb kürzester Zeit exponentiell ansteigt.
Fachlich ausgedrückt ist eine nukleare Leistungsexkursion die Folge einer prompt überkritisch werdenden Reaktion. Eine nukleare Reaktion wird überkritisch, wenn sie ohne verzögerte Neutronen abläuft. Aber was genau bedeutet das wiederum?
Die fortlaufende nukleare Reaktion in einem Atomkraftwerk wird durch Moderatoren kontrolliert. Diese sorgen dafür, dass der Spaltprozess der Reaktion nicht Überhand nimmt, indem ein Teil der freigewordenen Elektronen vom Moderator “eingefangen” wird. Dies geschieht mit den besagten Neutronen. Fehlen diese jedoch, weil zum Beispiel der Moderator an sich fehlt, kann die Reaktion ungehindert weiterlaufen. Veranschaulichen kann man dies mithilfe eines Staudamms: werden sämtliche Auslässe des Staudamms entfernt, kann das angestaute Wasser ungehindert in das Tal fließen.
Eine überkritisch werdende Reaktion kann weder durch Schutzmechanismen noch durch Regeltechnik gesteuert und kontrolliert werden. Bei der nuklearen Leistungsexkursion im Reaktorblock 4 des Kernkraftwerkes Tschernobyl wurde die Nennleistung des Reaktors um schätzungsweise das Hundertfache erhöht. Von ursprünglich 1.000 Megawatt Leistung setzte der Reaktor demnach innerhalb von Sekundenbruchteilen knapp 100.000 Megawatt frei. Dies entspricht der Energie von fast einer Kilotonne TNT.
Dies sei laut Experten letztendlich der Grund für die Explosion gewesen sein, die das 1000 Tonnen schwere Dach des Reaktors weggesprengt hat.